Wechseljahre neu denken
Viele Frauen fühlen sich rund um die Wechseljahre mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen. Schlafstörungen, Erschöpfung, Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen oder Gelenkbeschwerden werden oft vorschnell auf Stress oder „reine Psyche“ geschoben. Dabei steckt nicht selten eine hormonelle Veränderung dahinter.
Die bioidentische Hormonersatztherapie (bioHET) ist eine moderne Möglichkeit, diesen Beschwerden wirksam zu begegnen. Doch noch heute sind viele Frauen verunsichert, weil Hormone seit über 20 Jahren als „gefährlich“ gelten. Diese Angst hat vor allem eine Ursache: die berühmte WHI-Studie.
WHI-Studie: Warum Hormone zu Unrecht in Verruf geraten sind
Im Jahr 2002 brachte die Women’s Health Initiative (WHI)-Studie weltweit Schlagzeilen: Hormonersatztherapie erhöhe das Brustkrebs- und Herzinfarktrisiko. Millionen Frauen setzten ihre Medikamente ab, viele Ärztinnen und Ärzte verordneten keine Hormone mehr.
Schaut man genauer hin, zeigen sich deutliche Schwächen:
- Das Durchschnittsalter der eingeschlossenen Frauen lag bei 63 Jahren – viele Jahre nach Beginn der Menopause.
- Eingesetzt wurden Präparate, die heute kaum noch verwendet werden: konjugierte equine Östrogene kombiniert mit synthetischem Gestagen.
- Ein großer Teil der Teilnehmerinnen hatte bereits Vorerkrankungen.
Heute ist klar: Die WHI wurde nicht differenziert ausgewertet, und ihre Ergebnisse lassen sich nicht auf moderne bioidentische Hormone übertragen. Inzwischen haben zahlreiche Folgeanalysen und Studien gezeigt, dass eine individuell dosierte Therapie bei rechtzeitigem Beginn deutlich andere Effekte hat.
Dr. Katrin Schaudig (Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft):
„Wir müssen dringend mit den Mythen aufräumen – die moderne, individuell angepasste Hormontherapie hat mit den damaligen Präparaten wenig zu tun.“
Bioidentische Hormontherapie verstehen
„Bioidentisch“ bedeutet, dass die verabreichten Hormone in ihrer chemischen Struktur exakt den körpereigenen Östrogenen und Progesteron entsprechen. Das unterscheidet sie von älteren, synthetischen Präparaten.
Vorteile sind unter anderem:
- Natürlichere Wirkung an den Hormonrezeptoren
- Bessere Verträglichkeit
- Flexible und individuelle Dosierung je nach Beschwerden
Anwendungsformen sind Pflaster, Gel, Spray oder Kapseln. Wichtig ist die Kombination mit Progesteron, sofern die Gebärmutter vorhanden ist, um die Gebärmutterschleimhaut zu schützen.
Mehr als Symptomlinderung – die präventive Wirkung
Die meisten Frauen denken bei einer Hormontherapie zuerst an die Linderung akuter Beschwerden wie Hitzewallungen oder Schlafstörungen. Doch die moderne bioHET kann weit mehr leisten, wenn sie im „Window of Opportunity“, also innerhalb der ersten zehn Jahre nach der Menopause, begonnen wird:
- Osteoporose: Schutz vor Knochenschwund und Frakturen durch höhere Knochendichte
- Kardiovaskuläre Gesundheit: günstigere Wirkung auf Blutdruck, Cholesterin und Gefäße
- Stoffwechsel: Reduktion des Risikos für Typ-2-Diabetes
- Lebensqualität: Verbesserung von Schlaf, Energie und Stimmung
Dr. Sheila de Liz:
„Hormone sind viel mehr als Hitzewallungen. Sie sind auch Schutz und Stabilität – für das Jetzt und die kommenden Jahre.“
Sicherheit, Kontrolle und individuelle Entscheidung
Es gibt keine Therapie, die für alle Frauen passt. Auch die bioidentische Hormontherapie erfordert eine genaue Abklärung:
- Eine umfassende Anamnese
- Individuelle Risikoanalyse
- Regelmäßige Verlaufskontrollen
Bei gesunden Frauen ohne bestimmte Kontraindikationen wie Brustkrebs überwiegen die Vorteile, wenn die Therapie rechtzeitig begonnen wird.
Was bedeutet das für Sie?
In unserer hausärztlichen Praxis sind wir oft die erste Anlaufstelle, wenn Frauen spüren, dass „etwas nicht stimmt“. Sie können jederzeit mit Ihren Beschwerden zu uns kommen. Wir hören Ihnen zu, nehmen Ihre Symptome ernst und beraten Sie zu den Zusammenhängen.
Die eigentliche Einstellung und Begleitung einer Hormontherapie erfolgt anschließend bei Ihrer Frauenärztin, die auf diese Therapien spezialisiert ist. Diese Zusammenarbeit ist wichtig, denn nur so lässt sich eine sichere, individuell passende Behandlung gewährleisten.
Sie müssen diesen Weg nicht allein gehen: Wir sind da, um Ihnen zuzuhören, Orientierung zu geben und Sie als Partner*innen zu begleiten.
FAQ – Bioidentische Hormontherapie kurz erklärt
Was sind bioidentische Hormone?
Hormone, die chemisch identisch mit den körpereigenen Östrogenen und Progesteron sind.
Warum ist der Zeitpunkt des Beginns wichtig?
Beginnt man die Therapie innerhalb der ersten zehn Jahre nach der Menopause, sind die Schutzwirkungen für Herz und Knochen am größten.
Was kann eine bioHET bewirken?
Neben Symptomlinderung auch Vorbeugung gegen Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselprobleme.
Wer verordnet die Therapie?
Die individuelle Einstellung und Begleitung erfolgt durch Ihre Frauenärztin.
Quellen & Studien
- Rossouw JE et al. WHI Hauptpublikation. JAMA. 2002.
- Manson JE et al. WHI Follow-up. JAMA. 2017.
- Deutsche Menopause Gesellschaft e.V. Positionspapier. 2021.
- Baber RJ et al. IMS Recommendations, Climacteric. 2022.
- L’Hermite M. Bioidentical menopausal hormone therapy. Climacteric. 2017.
- Fournier A et al. Breast cancer risk under different HRTs. J Clin Oncol. 2008.